Das Landgericht Berlin hat die Flexstrom AG zu 25.000 Euro Vertragsstrafe verurteilt

Auf den ersten Blick günstige Strompreise und ein vielversprechender Bonus gehören zum Erfolgsrezept von Flexstrom. Doch der „Partner für preiswerten Strom” kommt viele Kunden teurer zu stehen als noch beim Abschluss erhofft.

Überraschende Preiserhöhungen

Viele Kunden stellen fest, dass in ihrer Jahresabrechnung eine Preis­erhöhung ausgewiesen ist, von der sie vorher nichts gehört haben. Das kann daran liegen, dass Flexstrom versucht hat, dem Kunden eine Preiserhöhung per Werbeflyer unterzuschieben. Dieser Praxis haben wir einen Riegel vorgeschoben (vgl. unten). Es kann aber auch daran liegen, dass die Preis­er­höhung oder Vertrags­verlängerung in einem so genannten Kundenportal online hinterlegt wurde und von dem Kunden dort nicht abgeholt wurde. Wir sind der Rechts­auffassung, dass auf diese Weise keine Vertragsänderung zustande kommen kann, doch ist diese Rechtsfrage noch nicht von den Gerichten geklärt.

Was Sie tun können

Lassen Sie sich rechtlich beraten – bei einer Verbraucherzentrale oder einem Rechtsanwalt. Nicht vorschnell zahlen! Vermutlich haben Sie einen Vertrag mit Vorkasse abgeschlossen und Flexstrom ohnehin schon einen kostenlosen Kredit gewährt. Jeden Cent, den Sie zu viel zahlen, müssen Sie sich auf gerichtlichem Weg zurück holen.  Korrigieren Sie die Strom­rechnung auf Grundlage des vereinbarten (alten) Preises und zahlen Sie nur die sich hieraus ggf. ergebene Differenz. Wenn Mahnungen und Inkassoschreiben von Flexstrom kommen, holen Sie sich juristischen Rat.

Verweigerte Bonuszahlung

Verbraucher, die im ersten Vertragsjahr zum Ende des Versorgungsjahres kündigen, verweigert Flexstrom regelmäßig die Auszahlung der bei Vertragsschluss versprochenen Bonuszahlung. Das Unternehmen beruft sich hierzu auf eine Klausel in den AGB. Demnach wird der Bonus nur dann ausgezahlt, wenn der Kunde nicht innerhalb des ersten Versorgungsjahres kündigt. Das würde bedeuten, nur wer mindestens zwei Jahre Kunde bliebe, käme in den Genuss der Bonuszahlung. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat Flexstrom wegen dieser Klausel abgemahnt, Flexstrom hat daraufhin am 29. Juni 2011 eine Unterlassungserklärung abgegeben. Neuere Verträge enthalten zumeist eine umformulierte Klausel.

Wir haben festgestellt, dass die Kunden in den meisten uns vorgelegten Fällen einen Anspruch auf Gutschrift des Bonus haben. Dies bestätigte auch das Landgericht Heidelberg in einem Rechtsstreit zwischen Flexstrom und Verivox, über den test.de berichtet. Das Amtsgericht Buxtehude hat mit Urteil vom 8. Juni 2011 einem Flexstrom-Kunden einen Anspruch auf Zahlung von 125 Euro Bonus zugesprochen (mitgeteilt von RA Gunnar Becker, Hamburg), das Amtsgericht Tiergarten in Berlin kommt mit Urteil vom 24.1.2011 zu demselben Ergebnis für einen Kunden mit 125 Euro Bonus. Das Amtsgericht Regensburg hat mit Urteil vom 9. Mai 2011 einem Flexstrom-Kunden zu einem Aktionsbonus von 80 Euro verholfen, ebenso das Amtsgericht Dachau mit Urteil vom 30. September 2011, als es um 75 Euro ging (beide Entscheidungen mitgeteilt von RA Andreas Zeilinger, Regensburg). Auch der Ombudsmann der Schlichtungsstelle Energie sieht die Rechtslage wie wir.

Was Sie tun können

Lassen Sie sich beraten. Sie können es auch selbst versuchen: Schreiben Sie per Einschreiben mit Rückschein einen Brief an Flexstrom und setzen Sie dem Unternehmen eine Frist für die Zahlung des Bonus von 14 Tagen. Sollte die Frist ohne einen Geldeingang auf Ihrem Konto verstreichen, bleibt Ihnen noch die Möglichkeit der Klage. Diese hätte nach unserer Einschätzung gute Aussichten auf Erfolg.

Im Werbeflyer die Preiserhöhung versteckt

Die Firma FlexStrom AG muss Kunden, denen sie Preiserhöhungen untergeschoben hatte, ein Berichtigungsschreiben schicken. Das ist das Ergebnis einer Klage der Verbraucherzentrale Hamburg gegen FlexStrom vor dem Landgericht Berlin (Urteil vom 29.04.2011, Az.: 103 O 198/10, nicht rechtskräftig). FlexStrom selbst muss jetzt Tausende Kunden mit der Nase darauf stoßen, dass die Preiserhöhungen nicht wirksam geworden sind. Erstmals haben wir hier eine Folgenbeseitigungsklage erhoben, was sich als wirksames Instrument für den Verbraucherschutz erwiesen hat. Flexstrom hat gegen das Urteil Berufung beim Kammergericht eingelegt. Das Verfahren läuft noch, Termin zur mündlichen Verhandlung wurde noch nicht angesetzt.

Die Klage auf Folgebeseitigung

Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte im Dezember 2010 die Klage gegen die Flexstrom AG beim Landgericht Berlin eingereicht. Der Stromversorger sollte verurteilt werden, Kunden ein Berichtigungsschreiben zu einer Preiserhöhung zu übersenden. Vorausgegangen war eine Abmahnung durch die Verbraucherzentrale. Daraufhin hatte sich Flexstrom gegenüber der Verbraucherzentrale im August 2010 verbindlich verpflichtet, gegenüber Stromkunden eine bestimmte Form der Mitteilung von Preiserhöhungen zu unterlassen.

Das Stromvertriebsunternehmen hatte Kunden einen Flyer übersandt, der wie eine Werbung aussah und dem nur bei genauem Hinsehen eine Preiserhöhung zu entnehmen war. Da es sich um Verträge mit einer Laufzeit von einem Jahr und eine unterjährige Preiserhöhung handelte, stand den Kunden ein Sonderkündigungsrecht zu. Flexstrom erweckte den Eindruck, die Preiserhöhung werde durch den weiteren Strombezug der Kunden wirksam.

Die Unterlassungserklärung

Dem setzte die Verbraucherzentrale die Abmahnung und die von Flexstrom daraufhin unterzeichnete Unterlassungserklärung entgegen, worin Flexstrom sich verpflichtete, bei Preiserhöhungen es zu unterlassen,

„durch Äußerungen wie ‚Wenn Sie nach Ablauf der Kündigungsfrist weiterhin günstigen FlexStrom beziehen, behandeln wir dies als Zustimmung Ihrerseits zu den neuen Vertragspreisen.’ den Eindruck zu erwecken, dass es als Zustimmung dieser Kunden zu einer Änderung der in den Stromlieferverträgen vereinbarten Preise behandelt werden dürfe, wenn die Kunden nach Erhalt eines Preisänderungswunsches lediglich weiterhin Strom beziehen und von einer Kündigung des Stromliefervertrages absehen“. 

Damit war klar: Zu einer Vertragsänderung gehören immer Zwei. Unterschieben von Preiserhöhungen – das geht nicht. Flexibel heißt auf Deutsch biegsam. Der Stromanbieter FlexStrom machte seinem Namen alle Ehre, indem er das Vertragsrecht verbog.

Klage auf Zahlung von Vertragsstrafe erfolgreich

Das Landgericht Berlin hat die Flexstrom AG auf unsere Klage am 4. Juni 2012 zur Zahlung von 25.005 Euro Vertragsstrafe an die Verbraucher­zentrale Hamburg verurteilt. Flexstrom hatte sich gegenüber der Verbraucherzentrale in einer verbindlichen Erklärung verpflichtet, das Unterschieben von Preis­erhöhungen zu unterlassen. In fünf Fällen sah das Gericht jetzt einen Verstoß gegen diese Erklärung gegeben und sprach der Verbraucher­zentrale die für diesen Fall vereinbarte Vertragsstrafe zu.

Wir sagen: Flexstrom kommt nicht damit durch, die Kunden erst mit Tiefpreisen zu ködern und ihnen dann Preiserhöhungen unterzujubeln.

Das Urteil des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Ob Flexstrom in die Berufung gehen wird, ist noch nicht bekannt.

So sahen die Flyer aus

Flexstrom schickte Kunden Faltblätter mit Titeln wie „Günstige Angebote trotz steigender Stromkosten. Wir sind für Sie da!“ oder „Unser Tipp: Mit Ökostrom sichern Sie sich gegen steigende Preise“. Diese Broschüren erweckten bei den Kunden nicht den Eindruck, dass mit ihnen eine Preisänderung eingeleitet werden sollte. Viele Kunden werden die Schreiben als Werbung dem Papierkorb zugeführt haben. Nur wer den gesamten Text liest, findet nach Hinweisen zur allgemeinen Strompreisentwicklung eine Mitteilung, zu welchen Konditionen Flextrom die Stromlieferung ab Zeitpunkt X fortführen will. Hieran schließt sich dann die Aussage an: „Wenn Sie nach Ablauf der Kündigungsfrist weiterhin günstigen FlexStrom beziehen, behandeln wir dies als Zustimmung Ihrerseits zu den neuen Vertragspreisen“.

Das Urteil

Auf die Folgenbeseitigungsklage der Verbraucherzentrale hin wurde Flexstrom verurteilt, allen Empfängern der Preiserhöhungsschreiben eine Richtigstellung mit folgendem Wortlaut zu übersenden:

„Wir stellen richtig, dass die zuvor mit Ihnen getroffene Preis­verein­barung nur mit Ihrer Zustimmung geändert werden kann. In diesem Zusammenhang kann es nicht als Zustimmung gewertet werden, wenn Sie weiterhin von uns Strom beziehen, ohne den mit uns bestehenden Liefervertrag zu kündigen. Sofern Sie also auf unser Preis­erhöhungs­ersuchen lediglich von einer Vertragskündigung abgesehen und weiter Strom bezogen, nicht aber auf andere Weise Ihre Zustimmung erklärt haben, ist es bei der vorange­gangenen Preisvereinbarung verblieben. Sollten Sie dennoch erhöhte Zahlungen geleistet haben, können Sie die Erhöhungs­beträge von uns zurückfordern“.

Mit dem Urteil wird verhindert, dass Flexstrom mit einem blauen Auge davon kommt. Die betroffenen Verbraucher erfahren jetzt, dass die Preiserhöhung nicht wirksam geworden ist und sie nicht zur Zahlung der erhöhten Beträge verpflichtet sind.

Hält sich Flexstrom an die Unterlassungserklärung?

Die in der Unterlassungserklärung beschriebene Praxis muss Flexstrom aufgrund unserer Abmahnung einstellen. Sollte sich Flexstrom nicht an die Unterlassungs­erklärung halten, würde eine an die Verbraucherzentrale zu zahlende Vertragsstrafe fällig, deren Höhe im Streitfalle vom Gericht festzusetzen wäre.

Wenn Sie nach dem 24. August 2010 ein solches Schreiben erhalten haben, melden Sie sich bitte bei uns:



in**@vz**.de











oder Verbraucherzentrale Hamburg, Kirchenallee 22, 20099 Hamburg.

Stand vom Sonntag, 24. Juni 2012

Quelle: Pressemitteilung der VZ Hamburg

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